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9. Mai 2012
Für den Fremdenverkehr ist es interessant zu sagen, das Nordkap sei der nördlichste Punkt Europas, lebt er doch von Superlativen wie der Monarchfalter von seiner Wirtspflanze. Die Touristen selbst sind es, die es hören wollen, an welche größte, schönste, einmaligste, nördlichste Plätze man gereist war, welche einzigartigen Erlebnisse man teilen durfte - schließlich muss man ja etwas erzählen können, wenn man aus den Weiten der Welt wieder im profanen Alltag angekommen ist.
So ganz stimmt das aber nicht, ohne damit sagen zu wollen, dass die Reiseveranstalter und Einheimischen die Unwahrheit sagen würden. Sucht man den nördlichsten Punkt des europäischen Festlandes, so findet man diesen in Nordkinn. Nordkinn ist eine Halbinsel und somit noch mit dem Festland verbunden. Zwar liegt das Nordkap noch etwas weiter nördlich, aber eben nicht auf dem Festland.
Mageröya heißt die norwegische Insel, auf der sich das Nordkap befindet. Mageröya könnte man übersetzen mit "mageres Land, Ödland", und in der Tat ist dort nur noch karges Weideland zu finden. Nicht einmal Bäume gibt es dort, denn die nördliche Baumgrenze liegt um einiges weiter südlich.
Eine Hochebene aus Schiefergestein ist es, welche steil aus dem Eismeer aufragt. Dieses Schieferplateau ist der herausragende Punkt, der als das "Nordkap" bekannt und berühmt wurde. Dennoch: Selbst auf dieser Insel gibt es eine Landzunge, die noch nördlicher als das Nordkap selbst liegt. Diese Landzunge trägt den Namen Knivskjellodden. Sie liegt exakt 1380 Meter weiter nördlich als das Nordkap, womit Knivskjellodden also der tatsächlich nördlichste Punkt Europas ist.
Dorthin gelangt man aber nicht mit dem Auto, sondern nur über einen 8 Kilometer langen Fußweg, und dann auch "nur" zu einem flachen Stück Ödland, das sich im Meer verlierend in die kalte See hineinläuft. Damit lässt sich zu Hause kein Staat machen, und anstrengend ist der Weg dorthin obendrein. Da fährt man allenthalben lieber mit dem Bus oder dem Auto zum Nordkap mit seiner beeindruckenden Weltkugel, vor dem man sich ablichten lassen kann, stolz auf ein weiteres Stück Reisebeute.
Letztlich ist es indes müßig, sich über einen geographischen Punkt zu streiten. So oder so, die Landschaft dieser Region besticht durch ihre traumhafte Schönheit und zieht einem in ihren Bann. 200 000 Touristen besuchen jährlich das Nordkap. So ganz langweilig, wie der vorstehende Text vielleicht voreilig als Eindruck vermittelt haben könnte, ist es dort dann wohl doch nicht, besonders wenn im Sommer die Mitternachtsonne am Horizont steht und den ganzen Zauber dieses schönen Fleckchens Erde enthüllt!
Das Plateau wurde 1828 als erstes vom Norweger Baltazar Mathias Keilhau von der Bucht Hornvika aus bestiegen. Am 9. Juli 1845 begann mit der Ankunft der ersten Ferienreise des Dampfschiffs „Prinds Gustav“ aus Hammerfest zum Nordkap der organisierte Tourismus. 1861 begründete Carl Vogt die Tradition am Nordkap Champagner zu trinken, um die Ankunft zu feiern. Die ersten organisierten Gruppenreisen aus London veranstalte das Reisebüro Cook 1875. Der große Durchbruch für das Nordkap als Touristenziel kam, als die Hurtigrute 1893 feste Schiffsverbindungen entlang der Küste nach Norden einrichtete.
SPW00025, PA0093